Katalogtext "Der Raum geht weiter", 2011 (Auszug)

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Petra Tödter baut ihre exakt zugeschnittenen und maßgenauen Objekte aus Sperrholz, Finnpappe und MDF-Platten. Im Gegensatz zu den beiden anderen Künstlerinnen (Minna Kangasmaa und Hildegard Skowasch) sind ihre Arbeiten, die sich im Grenzbereich zwischen Skulptur und Malerei bewegen, konsequent abstrakt ausgerichtet. Sie gehört zu den Künstlerinnen, die sich mit großer Nachhaltigkeit dem Themenkreis Linie – Form – Farbe - Raum widmen. Sie setzt dabei auf eigenständige und frische Weise die starke Tradition der geometrischen Abstraktion der Moderne fort, die sich seit ihren Anfängen im frühen 20. Jahrhundert immer wieder in neuen Erscheinungsformen behauptet hat, z.B. als Minimalismus in den 1960er Jahren. Neben der Nähe zu den Prinzipien des Minimalismus - z.B. Reduzierung auf geometrische ­Grundstrukturen,­monochrome­ Farbflächen­ mit­ kaum­erkennbaren­ Malspuren und serielle Wiederholung der Formen, scheinen ihre Arbeiten auch eine gewisse „Seelenverwandtschaft“ mit dem deutschen Künstler Palermo (1943-77) zu haben, vor allem was das Verhältnis zum Raum betrifft. Wie bei Palermo sind bei Petra Tödter kleine Formate in der Lage, eine große Wirkung auf den umgebenden Raum zu erzielen, indem sie eine Interaktion mit ihm eingehen. In ihren Arbeiten haben auch Schatten, die von den Arbeiten auf die Wand geworfen werden, eine zusätzliche räumliche Wirkung.

 

Die Arbeit „Hängefrüchte“ (2011) zeigt vier Dreiecksformen in zwei Größen, die in Paaren an der Wand angeordnet sind. Die kräftigen, klaren, tropischen Farben wechseln von Orange über Rot und Gelb zu Grün. Die Dreiecksformen sind jeweils gleichmäßig mit verschieden großen Punkten bemalt. Diese passen sich nicht den vorhandenen Flächen an, sondern ziehen sich auch über die Kanten hinweg. Das erzeugt beim Betrachter eine permanente Irritation. Bewegt er sich vor dem Objekt, verschiebt sich die Perspektive. Es verschwinden Teile aus dem Blickfeld. Verzerrungen ändern die Grundform und verunsichern die Wahrnehmung durch optische Täuschung. Es geht um ein ständiges Ausbalancieren zwischen dreidimensionaler Form, ihrer flachen Oberfläche und farblichen Behandlung.

 

Auch wenn die Arbeiten von Petra Tödter klar, reduziert und exakt sind, sind sie nicht ernst oder starr, sondern spielerisch, heiter und rhythmisch, was sowohl durch die Form als auch durch die leuchtende Farbgebung verursacht wird. Durch den Einsatz von farblichen Variationen bei einer Form fordert die Künstlerin den Betrachter auf, ganz genau hinzuschauen und sich auf eine visuelle Entdeckungsreise voller überraschender Momente zu begeben.

 

Ritva Röminger-Czako

 

 

Extract of catalogue "Der Raum geht weiter", 2011

- english version -

 

Petra Tödter builds her precisely cut and accurate objects from plywood, cardboard and MDF-panels. Unlike the other two artists (Minna Kangasmaa and Hildegard Skowasch), her work is consistently abstract and moves on the boundary between sculpture and painting. She belongs to the artists who are systematically dedicated to the subject matter Line - Shape - Color - Space. She continues the strong tradition of geometric abstraction of modernism in an independent and fresh way, which, since its inception in the early 20th century, has maintained time and again its position in new forms, for example as minimalism in the 1960s. In its closeness to the principles of minimalism - e.g. reduction to basic geometric structures, monochrome color fields with barely visible traces of paint and serial repetition of forms - her art work seems to have a certain "affinity" to the German artist Palermo (1943-77), especially in the relation to space. Like the smaller art pieces of Palermo, the small sizes of Petra Tödter's art work produce a large effect to space by entering into an interaction with it. The shadows, which are produced by the objects itself, do have an additional spatial effect.

 

The art piece "Hängefrüchte“ (Hanging fruits, 2011) shows four triangle shapes in two sizes, which are arranged in pairs on the wall. The strong, clear, tropical colors change from orange to red to yellow to green. The triangular shapes are each equally painted with different-sized dots. The dots do not adapt to the existing surfaces, but pull themselves even over the edge. This produces a permanent irritation to the viewer. When he moves in front of the object, the perspective shifts. Components disappear from the visual field, distortions change the basic form and confuse the perception by optical illusions. It's a constant balancing between three-dimensional shape, flat surface and color treatment.

 

While the art pieces of Petra Tödter are clear, reduced and exact, they are not heavy or rigid but playful, cheerful and rhythmic. This is not only caused by the shape but also by the brilliant colors. By using color variations in a form, the artist invites the viewer to look carefully and to go on a visual journey of discovery, full of surprising moments.

 

Ritva Röminger-Czako